EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser,
nerven oder mögen Sie die zahlreichen Artikel, in denen die Absender erläutern, warum Sie unbedingt diese PR-Methode oder jenes Marketing-Tool einsetzen müssen? Weil es sich (mal wieder) um eine Revolution der Markt-Kommunikation handeln soll! Zumindest nach Meinung der Autoren. Unter diesem Aspekt haben wir einige Schlagwörter ausgewählt und mit Experten darüber gesprochen, wie sie deren Entwicklungsstand bewerten: Wie weit ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der PR fortgeschritten? Lohnt sich der Einsatz von Messengern für die Medienarbeit – aus Sicht von Journalisten? Welchen Aufwand und welche Kenntnisse erfordert Daten-PR? Was vermag Neuromarketing zu leisten, und was nicht? Warum wächst der Friedhof der Marken an? Und wie hoch ist die Gefahr für Unternehmen, Ziel von Desinformations-Attacken zu werden?
Diese und weitere spannende Themen behandeln die Artikel der aktuellen Ausgabe von INPUNCTO.
Ich verspreche Ihnen eine informative und anregende Lektüre.
Vielen Dank fürs Lesen!
Mit freundlichen Grüßen
Collin Scholz
P.S.
Falls Sie Kritik äußern oder Lob zollen möchten bzw. Fragen zu einzelnen Themen haben, schreiben Sie mir bitte: collin.scholz@pilotprojekt.de

Collin Scholz, Geschäftsleitung Pilot:Projekt GmbH
KI IN DER PR
UMBRUCH HINTER VERSCHLOSSENEN TÜREN
PR-Abteilungen nutzen KI, reden aber ungern darüber
Während im Marketing der Einsatz von KI vielerorts bereits zur Routine gehört, dringt aus den PR-Abteilungen dazu nur wenig nach außen. Doch hinter so manchen Türen herrscht auch dort bereits rege KI-Betriebsamkeit, wie renommierte Fachleute berichten. Der folgende Beitrag von Collin Scholz, Mitglied der Geschäftsleitung der Pilot:Projekt GmbH, erschien im PR Journal https://pr-journal.de/fragen-und-meinungen/autoren-beitraege-themen-der-zeit/24844-autorenbeitrag-pr-abteilungen-nutzen-ki-doch-reden-ungern-darueber.html

KI spielt in der PR eine immer wichtigere Rolle. (© PilotProjekt GmbH)
PR-Verantwortliche nutzen jede Gelegenheit, ihre Zielgruppen über den Einsatz bahnbrechender Technologien in ihren Organisationen zu informieren. Es sei denn, es geht um das Nutzen Künstlicher Intelligenz (KI) in ihrem eigenen Ressort. Nur wenige Sprecher großer Unternehmen wie Bosch, Siemens und Microsoft gaben bislang Einblicke in Projekte, in denen sie KI anwenden. Anders als im Marketing scheinen entsprechende Systeme in der PR noch keine wichtige Rolle zu spielen. Doch stimmt die Vermutung? Um das herauszufinden, sprach ich mit drei renommierten KI-Experten.
„Ich bin mir sicher: In etlichen Unternehmen nutzen die Kommunikatoren diverse Arten der KI wie selbstlernende Systeme“, sagt Professor Ana Adi, die an der Quadriga Hochschule Berlin Public Relations und Corporate Communications lehrt. „Aber weil sie sich dadurch Vorteile im Wettbewerb verschaffen wollen, halten sie sich mit öffentlichen Aussagen zurück. Denn warum sollten sie Konkurrenten wissen lassen, dass sie KI-Systeme nutzen?“

Professor Dr. Ana Adi, Quadriga Hochschule Berlin
Doch es gibt Ausnahmen. Ana Adi verweist auf das Beispiel des Automobilherstellers Lexus: „Die Werbe-Kampagne für den Lexus ES wurde mit Hilfe des KI-Programms IBM Watson realisiert. Watson schrieb das Drehbuch für den Video-Clip, Kreative setzten es um.“ Das aber wüssten die wenigsten der potenziellen Autokäufer, die sich das Video ansehen. Ganz anders verhalte es sich bei Personen aus der Kommunikations-, Werbe- und IT-Branche. Der Grund sei gezielte PR-Arbeit. „Alle am Projekt beteiligten Firmen berichteten über die Kooperation, um sich als Unternehmen an der Spitze der Entwicklung darzustellen. Sie betrieben PR zugunsten ihrer Reputation als Arbeitgeber.“
Es drängt sich die Frage auf, ob KI-Systeme demnächst völlig eigenständig PR-Kampagnen entwickeln und realisieren werden. Davon geht Peter Gentsch nicht aus. Der KI-Experte lehrt internationale Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Digital Management und Data Science, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen. Allerdings räumt er ein, dass „KI wesentlich zu deren Erfolg beitragen kann, indem sie geeignete Themen ermittelt, Content kreiert, relevante Plattformen identifiziert und berechnet, welche Kommunikations-Kanäle mit welchen Inhalten zu bespielen sind.

Prof. Dr. Peter Gentsch, Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen
Auch eignen KI-Systeme sich hervorragend für das Monitoring einer unbegrenzten Zahl von Kommunikationskanälen und liefern blitzschnell datenbasiere Ergebnisse. „Deshalb werden KI-basierte Systeme seit längerer Zeit im Krisenmanagement eingesetzt“, erläutert Professor Gentsch. „Bei der Analyse des Grundrauschens im Web können selbstlernende Systeme Muster erkennen, die frühzeitig potenzielle Risiken und Gefahren für das Unternehmen anzeigen.“
Ein weiteres Anwendungsgebiet sei die Themenanalyse. „Aus meiner Zusammenarbeit mit der Deutschen Post weiß ich, dass sie in ihrem Newsroom KI-Systeme einsetzt, um zu erfahren, welche Themen nicht besetzt sind und welche sich zu Trendthemen entwickeln.“ Nicht zuletzt dienen entsprechende Programme dazu, die für ein Unternehmen wichtigen meinungsbildenden Personen zu ermitteln. Um die Kommunikatoren dann kontinuierlich darüber zu informieren, zu welchen Themen diese Meinungsführer sich wie und in welchen Kontexten äußern.
„Diese aus dem Monitoring resultierenden Erkenntnisse kann eine PR-Abteilung in verschiedenen Zusammenhängen gewinnbringend verwenden“, ist Thomas Pleil überzeugt, Professor für Public Relations mit dem Schwerpunkt Online-PR an der Hochschule Darmstadt. „Zum Beispiel können die Kommunikatoren die Wirkung ihrer Botschaften bei bestimmten Zielgruppen kontrollieren und optimieren.“

Prof. Dr. Thomas Pleil, Hochschule Darmstadt
Damit kann das Fazit gezogen werden, dass alle drei Wissenschaftler sich in den folgenden Punkten einig sind: KI-Systeme sind nicht nur ein hochwirksames Instrument proaktiver Krisen-PR. Sie erhöhen darüber hinaus die Qualität und die Wirkung der Unternehmenskommunikation.
Dies gelingt der KI, indem sie
- die Abteilung darin unterstützt, die Ansichten und Forderungen der Stakeholder besser zu verstehen,
- präzise Prognosen ermöglicht, wie sich deren Verhalten auf die Reputation, das Image und den Geschäftserfolg des Unternehmens auswirken wird und
- dazu beiträgt, die Plausibilität und Überzeugungskraft der PR-Botschaften zu steigern und sie in ihrer Schwerpunktsetzung und Tonalität zielgruppengerecht zu individualisieren.
Angesichts dieser Vorteile scheint der Einsatz von KI in der externen Kommunikation ein wettbewerbsrelevanter Faktor zu sein, den insbesondere finanzstarke Unternehmen nutzen können. Doch Peter Gensch widerspricht: „Wir erleben derzeit eine Art Demokratisierung der KI. Denn mittlerweile können selbst kleinere Unternehmen für relativ wenig Geld leistungsstarke KI-Services nutzen.“
Der Einsatz von KI-Systemen macht also vor den PR-Abteilungen nicht Halt. Doch Angst um ihre Jobs müssen die Kommunikatoren nach Meinung der Wissenschaftler nicht haben. Denn sie seien der KI deutlich überlegen, wenn Daten interpretiert, Ideen kreiert, Konzepte entwickelt und spannende Texte geschrieben werden müssen.
CONTENT MARKETING
CONTENT MARKETING: NICHT JEDER KANN'S
Mit Strategie zu gute Inhalten, die den Empfängern nutzen
Als Privatpersonen ignorieren Marketing-Verantwortliche täglich Hunderte von Werbebotschaften. Und hoffen zugleich, dass die eigene Markt-Kommunikation das Interesse möglichst vieler potenzieller Kunden weckt.
Wie kann das gelingen?

Erfolgreiches Content Marketing beruht auf einer komplexen Strategie.
Seit geraumer Zeit gilt das Content Marketing als besonders vielversprechendes Instrument. Der Ansatz: Man identifiziere die Interessen und Bedürfnisse seiner Kunden und entwickle daraufhin Inhalte (Content), die gezielt darauf eingehen. Um im nächsten Schritt Produkte und Serviceleistungen im Kontext dieser Inhalte zu positionieren.
Soweit zur Theorie. In der Praxis scheitern etliche Content Marketing-Maßnahmen an der mangelnden Qualität der Inhalte. „Guter Content hilft den Empfängern, Probleme zu lösen, beantwortet kundenrelevante Fragen, bietet verständlichere Erläuterungen, vermittelt bessere Orientierung, deckt Hintergründe auf, enthält hilfreiche Empfehlungen, liefert neue Ideen oder hat einen hohen Unterhaltungswert“, listet Dr. Hans-Christian Riekhof, Professor für Marketing an der Privaten Hochschule Göttingen, die Erfolgskriterien auf. „Nur wer mit dem Content individuellen Nutzen vermittelt, wird wichtig für die Adressaten.“
Diese Aufgabe zu lösen erfordert strategisches Vorgehen. Das folgende von der Pilot:Projekt GmbH entwickelte Schema zeigt an Beispielen für Nähmaschinen- und Reifenhändlern, wie nutzwertige Inhalte entstehen:
A) Mit der richtigen Maschine kann jede(r) gut nähen!
B) Gute Winterreifen: in der kalten Jahreszeit ein Muss

A) Nähwelten - Sticken - Patchen & Quilten - Overlock - Ratgeber - Nähkultur
B) Sicherheit - Wirtschaftlichkeit - Umweltverträglichkeit - Technologie - Pflege

Nähwelten
Willkommen in der Nähschule / Welche Nähmaschine für welchen Typ? / Garnlehre / Nähprojekte: Sommerkleid nähen - Ein Poncho für den Herbst - Die eigene Handtasche - Regenschutz und Halsband für Hunde
Sticken
Sticken mit der Maschine / Sticksoftware / Projekte: Bänder sticken - Handtücher besticken
Patchen & Quilten
Das Stippling / Das Freihandquilten / Projekte: Patchworkdecke, Tassenteppich
Overlock
Besonderheiten / Techniken / Projekte: Servietten nähen - Besteckhüllen nähen
Ratgeber
Richtig Maß nehmen / Feine Stoffe gekonnt nähen / Flecken entfernen / Nähtipps
Sicherheit
Nachteile Sommerreifen im Winter / Wann neue Winterreifen (= WR) fällig werden / Neue WR richtig einfahren / Neureifen und Reifenalter / WR und Profiltiefe / WR und Reifenfülldruck / WR und Fahrsicherheitssysteme
Technologie
Merkmale guter WR / Vorteile von OE-Reifen / Ganzjahresreifen als Alternative / Reifen-Kennungen verstehen
Wirtschaftlichkeit
Winterreifen und RDKS / Wie lange WR halten / Das EU Reifenlabel interpretieren
Umweltverträglichkeit
WR sind nachhaltig / WR und Abrieb / WR für E-Autos
Pflege
Sommerreifen richtig einlagern / Reifen gekonnt pflegen / Neue WR richtig einfahren

Um zu prüfen, ob ein Thema für sein Unternehmen gut oder weniger gut geeignet ist, sollte der Händler sich die folgenden Fragen stellen. Als Antwort vergibt er jeweils Punkte von 0 (= überhaupt nicht) bis 10 (= perfekt):
- Wie stark nutzt das Thema dem Image des Unternehmens? Wie sehr hilft es, kompetenter, kundenorientierter, servicestärker oder sympathischer zu wirken?
- Wie stark trägt das Thema dazu bei, höhere Umsätze zu generieren?
- Wie hoch ist der Nutzen, den das Unternehmen seinen Zielgruppen bei dem Thema vermitteln kann?
- Wie präsent ist das Thema in der Öffentlichkeit? Wie hoch ist sein Suchvolumen auf Google? Ist es ein Trendthema in den sozialen Medien?
- Hat das Unternehmen Fachleute im Haus oder Zugang zu externen Experten, die das Thema beherrschen?
- Liegt gutes Material (Bilder, Videos, Podcast) vor?
- Wie riskant ist das Thema? Ist es politisch aufgeladen und kann Aktivisten auf den Plan rufen?
- Haben Wettbewerber oder die Medien das Thema bereits aufgegriffen? Falls ja: Kann das Unternehmen das Thema besser darstellen?
- Wie aufwendig ist das Erarbeiten des Contents?
Mindestens 50 Punkte sollte ein Thema erreichen, bevor ein Händler sich entschließt, die entsprechenden Inhalte zu entwickeln.

A) Nähanfänger, Fortgeschrittene, Profis, Modedesigner, Schneidermeister, Schüler, Eltern, Senioren, Soziale Einrichtungen, Hunde- und Katzenbesitzer
B) Fahranfänger in ländlichen Regionen, Fahranfänger in Städten, Vielfahrer, Wenigfahrer, umweltbewusste Fahrer, Fahrer von Sportautos, Fahrer von Stadtautos, Fahrer von Oldtimern, Fahrer von E-Autos, Tuning-Fans, Autofahrer 65+

Pressemitteilung, Präsentation, Facebook-Posts, Tweets, Umfrage, Studie, Infografik, Artikel auf der Firmenwebsite, Blog, Themen-Microsite, E-Mailings, Online-Newsletter, Videos auf YouTube, Whitepaper, Kundenseminare
Abschließend gilt es festzulegen, welches Thema für welche Zielgruppe(n) besonders geeignet ist. Vom Thema, der zugeordneten Zielgruppe sowie deren Vorlieben für bestimmte Kommunikationskanäle hängt es wiederum ab, in welchem Format ein Inhalt produziert werden sollte.
Aus dem Ärmel schütteln lässt sich eine Content-Strategie inklusive Redaktionsplan nicht. Daher sollte jedes Unternehmen prüfen, ob es die personellen Kapazitäten für das Realisieren von Content Marketing besitzt oder externe Unterstützung benötigt.
EINZELHANDEL IM WANDEL
SO KÖNNEN STATIONÄRE EINZELHÄNDLER ÜBERLEBEN
Kundenzugewandte Services sind entscheidend
Sein letztes Stündlein hat dem stationären Einzelhandel geschlagen – das glaubten hierzulande bereits Mitte der 1880er Jahre etliche Marktbeobachter. Weil pfiffige Unternehmer ihre Geschäfte zu Versandhäusern wandelten und bebilderte Warenkataloge verschickten. Seither veränderten Selbstbedienungsläden, Supermärkte, Discounter und Fachmärkte den Markt und stellten Einzelhändler immer wieder vor neue Herausforderungen. „Der Zwang, sich dem Wandel anzupassen, ist für sie also nicht neu“, urteilt Dr. Markus Schweizer, Dozent für Handelsmanagement an der Leibniz Fachhochschule – School of Business, Hannover. „Neu sind das Tempo und die Intensität, mit der die Rahmenbedingungen sich seit einigen Jahren verändern.“

In Märkten mit hoher Wettbewerbsdichte ist Service ein entscheidender Faktor.
Als Ursachen der beschleunigten Veränderungen sieht Markus Schweizer drei Treiber: „Die Digitalisierung, das veränderte Kundenverhalten sowie neue Geschäftsmodelle.“
Der enorme Einfluss der Digitalisierung auf das Geschäfts- und Privatleben steht außer Frage. „Zugleich verändern übergeordnete Trends wie der Wunsch nach individualisierten Produkten und Services oder die sogenannte Neo-Ökologie mit dem Boom von Bio-Produkten und der Forderung einer umweltverträglichen Wertschöpfung das Kundenverhalten“, erläutert Markus Schweizer. Etliche Kundensegmente haben nach Meinung des Handelsexperten heute andere Bedürfnisse als noch vor zehn Jahren. Diese Bedürfnisse klar zu bestimmen, sei die vorrangige Aufgabe jedes stationären Einzelhändlers.
Parallel dazu müsse ein Umdenken hinsichtlich der Ansprache der Kunden erfolgen. „Etliche Händler arbeiten noch mit Marketing-Druck. Das heißt, sie setzen Instrumente wie Sonderangebote, Preissenkungen, Coupons und dergleichen ein, damit Konsumenten ins Geschäft kommen und möglichst mehr kaufen, als sie geplant hatten.“ Markus Schweizer empfiehlt einen anderen Weg: Statt Druck auf potenzielle Kunden auszuüben, sollten Händler alles daransetzen, durch attraktive Leistungen einen Kunden-Sog zu erzeugen. „Die Fragen müssen lauten: Was können wir tun, um die individuellen Bedürfnisse eines Kunden zu erfüllen? Wie können wir ihm wahren Nutzen bieten und dafür sorgen, dass er uns Vertrauen und Loyalität schenkt?“

Immer neue Trends beeinflussen das Kaufverhalten der Konsumenten.
Weil Händler in den meisten Fällen keine Produkte herstellen, müssen sie sich auf das Kreieren neuer Services konzentrieren. Ein relativ neuer Ansatz sind Abonnements für bestimmte Produkte und Dienstleistungen. Collin Scholz, Mitglied der Geschäftsleitung der Pilot:Projekt GmbH, Hannover, nennt ein Beispiel: „Ein Reifenfachhändler konnte diverse Abo-Modelle kreieren, die sich durch verschiedene Laufzeiten, die Qualität der Reifen, die Zahl der Serviceleistungen sowie die Höhe der monatlichen Gebühr unterscheiden. Ein Beispiel: Das Abo-Modell A enthält für eine zu kalkulierende Monatsgebühr zwei Reifensätze (Sommer- und Winterreifen) aus dem Premium-Segment, die nach einer festzulegenden Anzahl gefahrenen Kilometer durch gleichwertige Neureifen ersetzt werden.“
Hinzu kommen Serviceleistungen wie die Reifenmontage inklusive Programmieren der Sensoren des Reifenfülldruck-Kontrollsystems, das Auswuchten der Reifen, die Reifenwäsche sowie das Einlagern bis zur nächsten Umrüstung. „Bei Bedarf kann ein Kunde weitere Leistungen hinzubuchen, zum Beispiel Kompletträder statt Reifen, eine Reifenversicherung oder die Reifenmontage vor Ort“, nennt Collin Scholz weitere Möglichkeiten. „Bei dem Modell B stammen die Reifen dann nicht aus dem Premium-, sondern aus dem preisgünstigeren Quality-Segment, bei der Variante C aus dem Budget-Segment.“

Mit digitalen Waren-Informationen können Händler punkten.
Ebenso wichtig wie das Kreieren kundenorientierter Dienstleistungen ist nach Meinung von Markus Schweizer das Definieren eines Leistungsversprechens, welches diszipliniert umgesetzt werden muss. „Ich sehe für den stationären Einzelhandel vier Segmente, in denen sie ihr Leistungsversprechen platzieren können. Dabei sollte ein Unternehmen sich unbedingt auf ein Segment beschränken, um sich nicht zu verzetteln.“
Diese Segmente sind
- Atmosphäre: Der Kunde soll im Geschäft verweilen und sich dort wohlfühlen.
- Services: Die Angebote lösen perfekt die individuellen Probleme eines Kunden.
- Inspiration: Der Kunde taucht im Geschäft in Entdeckungs- und Erlebniswelten ein.
- Digitale Vernetzung: Der Händler punktet durch Prozesse, die den Kunden entlasten.

Bequemes Bezahlen per Handy wird bei Konsumenten immer beliebter.
Collin Scholz überträgt den theoretischen Ansatz in ein praktisches Beispiel: „In Anlehnung an die Leistungsfülle moderner Handelsplattformen könnte ein Reifenfachhändler unter dem Leistungsversprechen Wir sichern Ihre Automobilität ein Leistungspaket schnüren, das mehr als Reifen- und Kfz-Services enthält. Durch Kooperationen mit einem Kfz-Versicherer, einer Mietwagenfirma, einem Pannendienst und einem Verkehrsrechtler, um einige Beispiele zu nennen, wäre dies zweifellos möglich.“ Als branchenunabhängige Voraussetzungen für diesen Ansatz nennt Markus Schweizer ein sorgfältig kalkuliertes Kosten- und Ertragsmodell, ein klar definiertes Leistungsangebot sowie eine professionelle Leistungserstellung. Sein Fazit: „Die Transformation im Handel setzt stationäre Händler unter enormen Handlungsdruck. Doch mit neuen, kundenzugewandten Ideen können sie sich im Markt behaupten.“
NEUROMARKETING
NEUROMARKETING: VORSICHT IST GEBOTEN
Schon der Begriff erweist sich als Fehlbezeichnung
Die Kaufentscheidung positiv zu beeinflussen, ist Ziel des Neuromarketings. Neuromarketing zählt aktuell zu den Schlagwörtern, denen man in Fachmedien, auf Tagungen sowie in Publikationen von Werbeagenturen kaum entrinnen kann. „Es geht darum, die Gehirnaktivitäten des Menschen besser zu verstehen und das erlangte Wissen dann zielgerichtet einzusetzen, um Kaufentscheidungen in eine bestimmte Richtung zu lenken“, definiert Dr. Ralf E. Strauß, Professor für Digitales Marketing & E-Business an der Hamburg School of Business Administration und Präsident des Deutschen Marketing Verbands, Düsseldorf, den Begriff.

Die Kaufentscheidung positiv zu beeinflussen, ist Ziel des Neuromarketings.
Doch lassen sich Erkenntnisse der Hirnforschung ohne Weiteres in Marketing-Maßnahmen wandeln, die den Absatz von Produkten und Dienstleistungen ankurbeln? Und verfügen alle Agenturen, die Neuromarketing anbieten, über die nötigen neurowissenschaftlichen Kenntnisse?
Die Meinungen darüber gehen auseinander, zum Teil erheblich. „Um das Neuromarketing ist ein großer Hype entstanden, wobei die Versprechungen meines Erachtens in der Breite erst noch eingelöst werden müssen“, urteilt Dr. Christian Montag, Heisenberg-Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm und Gastprofessor an der University of Electronic Science and Technology of China in Chengdu, China. „Für mein Dafürhalten ist noch unzureichend beforscht, was Neuromarketing leisten kann. Genauer gesagt: Es gibt viel zu wenige systematische Überprüfungen, die den Erfolg der unterschiedlichen Forschungsmethoden im direkten Vergleich getestet hätten.“

Noch kritischer äußert sich der deutschbritische Hirnforscher Dr. John-Dylan Haynes. Er ist Professor für Theorie und Analyse weiträumiger Hirnsignale am Bernstein Center for Computational Neuroscience sowie am Berlin Center for Advanced Neuroimaging (BCAN) der Charité und der Humboldt-Universität zu Berlin: „Alle Gedanken, folglich auch Kaufentscheidungen, sind in der Hirnaktivität angelegt. Allerdings ergeben sich beim praktischen Auslesen und Vorhersagen von Kaufentscheidungen aus der Hirnaktivität zahlreiche Schwierigkeiten. Ich halte die derzeit angebotenen Techniken noch nicht für ausgereift, um die anvisierten Ziele zu erreichen.“
Sowohl dem Begriff Neuromarketing als auch der Zusage, aus der Hirnforschung zügig konkrete Marketingmaßnahmen ableiten zu können, begegnet Univ.-Prof. Dr. Peter Kenning, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, mit großer Skepsis: „Der Begriff Marketing bezeichnet das Konzept der marktorientierten Unternehmensführung. Der Begriff Dienstleistungs-Marketing meint also die marktorientierte Führung von Dienstleistungs-Betrieben, der Begriff Handelsmarketing die marktorientierte Führung von Handelsunternehmen. So gesehen wäre Neuromarketing das marktorientierte Führen von Neuronen. Doch das ist definitiv nicht gemeint“, betont Peter Kenning. Angemessener sei der Begriff Consumer Neuroscience. Er bezeichnet die systematische Integration neurowissenschaftlicher Theorien, Methoden und Konzepte in das Erforschen des Käufer- und Konsumentenverhaltens.

„Beim Consumer Neuroscience geht es weniger um das Gestalten konkreter Marketingmaßnahmen, sondern um das grundsätzliche Verständnis, welche Hirnfunktionen mit dem uns interessierenden Konsumentenverhalten in Verbindung gebracht werden können.“
Zur Verdeutlichung skizziert Peter Kenning folgendes Beispiel: Kundenzufriedenheit ist ein wesentlicher Treiber der Kundenbindung. Kundenzufriedenheits-Studien wiederum zeigen, dass Preiszufriedenheit ein wesentlicher Faktor der Kundenzufriedenheit ist. Folglich sollten Preissenkungen einen positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und somit auch auf die Kundenbindung haben. Die erste Annahme stimmt, die zweite nicht. „Im Gegenteil: Preissenkungen machen Kunden zu Vagabunden“, betont Peter Kenning. Die Consumer Neuroscience biete dafür eine Erklärung an. Kundenbindung entsteht im sogenannten Belohnungssystem des Gehirns. Preisinformationen hingegen werden in Hirnregionen kodiert, die in Verbindung mit dem Verarbeiten von Schmerzen und Ekel gebracht werden. Sie wirken also nicht im Belohnungssystem und stehen somit auch nicht in Verbindung mit der Kundenbindung.
Zweifellos können Verfahren wie die Magnetresonanztomographie hilfreiche Fingerzeige geben, wie Christian Montag erläutert: „Werden einer Testperson nacheinander mehrere Varianten einer Werbung präsentiert, kann man mit der Magnetresonanztomographie messen, ob die Hirnaktivität in einem bestimmten Bereich bei einer Variante zunimmt. Das Ergebnis könnte unter Umständen dabei helfen, aus mehreren Möglichkeiten die beste Werbebotschaft herauszufiltern. Doch Vorsicht: Die perfekte Methode gibt es nicht. Und das Anwenden mehrerer Verfahren ist teuer.“

Das Messen von Hirnströmen gehört zu den Instrumenten des Neuromarketings.
Bleibt noch die Frage, ob es überhaupt ethisch vertretbar ist, Ergebnisse aus der Hirnforschung für Marketing-Zwecke zu nutzen. „Wäre man neurowissenschaftlich dazu in der Lage, die Wirkung von Werbesignalen so zu optimieren, dass ein Mensch sich nicht dagegen wehren kann, ein Produkt zu kaufen, dann wäre diese Technik auf jeden Fall unethisch“, lautet die Antwort von Hirnforscher John-Dylan Haynes. „Doch zurzeit gibt es noch keine funktionierenden Techniken, die dies ermöglichen würden.“
MARKENDÄMMERUNG
MARKENDÄMMERUNG STATT MARKENPFLEGE
Experten warnen: Die Zahl starker Marken schrumpft
Unternehmen brauchen sie. Konsumenten lieben sie - bisweilen bis zur quasireligiösen Verehrung: starke Marken. Denn sie stehen für Werte wie Qualität, Verantwortung, Ehrlichkeit. Und sie schaffen Vertrauen und geben Orientierung. Entsprechend hoch sind die Ansprüche, die ein Unternehmen und seine Produkte oder Dienstleistungen erfüllen müssen, um in den Köpfen seiner Zielgruppen als starke Marke zu gelten.

Etliche Marken geraten zunehmend in schwere Wetter.
Doch eine wachsende Zahl Unternehmen scheint diese Anforderungen nicht oder nicht mehr zu erfüllen. „Es gibt immer weniger starke Marken“, urteilt Prof.Dr. Franz-Rudolf Esch, Inhaber des Lehrstuhls für Markenmanagement der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Oestrich- Winkel. Diese Aussage basiere auf den Ergebnissen eigenen Forschungsarbeiten sowie auf den Resultaten zahlreicher Studien von Marktforschungsinstituten wie das IFH in Köln und die GfK in Nürnberg.

„Die meisten Marken gehen im Einheitsbrei austauschbarer Aussagen und Versprechen unter“, kritisiert Franz-Rudolf Esch die Verantwortlichen in den Unternehmen scharf. „Sie unterscheiden sich kaum noch voneinander und wurden für Kunden austauschbar und somit auch verzichtbar.“ Die negative Konsequenz: Bei zahlreichen Produkten des alltäglichen Lebens achten die Konsumenten nicht mehr auf die Marke, sondern auf den Preis. „Das ist der Grund für den Siegeszug der Handelsmarken.“
Prof. Dr. Karsten Kilian, Leiter des Masterstudiengangs Marken- und Medienmanagement an der Hochschule Würzburg, beziffert das Ausmaß dieser Entwicklung: „Groß angelegten Studien zufolge sind drei von vier Marken des täglichen Bedarfs für Konsumenten bedeutungslos. Die meisten Produkte würden im Falle ihres Verschwindens nicht vermisst.“ Und das trotz hoher Investitionen in die Markt-Kommunikation.
Worin liegen die Ursachen für diese Fehlentwicklung? Professor Dr. Henrik Sattler, Leiter des Instituts für Marketing an der Universität Hamburg, hebt hervor, dass es ein systematisches Marken-Management erst seit rund 30 Jahren gebe. „In dieser Zeit lernten Unternehmen dazu.“ Zumindest ein Teil von ihnen. Doch zugleich seien die Bedingungen der Markenführung seit den 1990er Jahren erheblich schwieriger geworden. „Die Märkte wurden infolge der Digitalisierung und der sozialen Medien zunehmend transparenter. Dadurch verloren Marken ihre Bedeutung als Informationsquelle.“

Franz-Rudolf Esch verweist auf die stark gestiegene Komplexität der Bedingungen, unter denen Unternehmen agieren müssen. Dazu gehört die immer breiter aufgefächerte Ansprache immer präziser definierter Kundengruppen. „Das macht das Management von Marken wesentlich anspruchsvoller.“ Zumal die kontinuierlich steigende Informationsfülle sich nachteilig auf das Interesse und die Fähigkeit der Menschen auswirke, diese Informationen auch aufzunehmen. „Es bedarf daher Erkenntnisse zu den Mechanismen, die den Aufbau und die wirksame Pflege einer Marke in komplexen Umwelten ermöglichen.“
Für Karsten Kilian tragen nicht zuletzt rein marktwirtschaftliche Gründe zum Bedeutungsverlust vieler Marken bei. „Während das Warenangebot seit dem Ende des Kalten Krieges deutlich zugenommen hat, sind Kaufkraft und Bedarf nicht in gleichem Maße gewachsen. Ein steigendes Angebot bei kaum wachsender Nachfrage führt zwangsläufig zu Verdrängungswettbewerb und damit zu einer abnehmenden Markenloyalität. Diesem Wettbewerb können sich nur wenige, wirklich profilierte Marken entziehen.“
Doch neben den äußeren Umständen stürzten auch Fehlentscheidungen in den Unternehmen etliche Marken in die Krise. So wechselten die für Marken verantwortlichen Manager immer schneller, wie Karsten Kilian beobachtet. „Mit jeder Neubesetzung geht häufig auch ein Strategiewechsel einher. Deshalb ist die Schwächung der meisten Marken hausgemacht. Sie werden überdehnt, Sortimente ohne Rücksicht auf Stammkunden zusammengestrichen und die Kommunikations-Kampagnen im Monatsrhythmus verändert.“ Zudem führten häufige Veränderungen des Verpackungsdesigns und Namensänderungen wie von Calgonit zu Finish und von Brise zu Glade dazu, dass Kunden ihre Marken nicht wiedererkennen.

Immer wenigen Marken gelingt es, Konsumenten über viele Jahre zu binden.
„Nur wenige Unternehmen wissen, wie Marken wirksam aufgebaut werden, und setzen diese Kompetenz auch konsequent um“, klagt Franz-Rudolf Esch. Den Unternehmen fehle die langfristige strategische Ausrichtung der Marke, zu der das konsequente Entwickeln einer eindeutigen Identität und einer klaren Positionierung ebenso gehöre wie deren wirksame Kommunikation. „Der Einheitsbrei kommunikativer Ansätze mit den immer gleichen Motiven stumpft das Publikum nur weiter ab und hilft der Marke nicht, ein klares Profil zu finden“, ist der Marken-Experte überzeugt.
Fazit: Folgt man der Meinung der Marken-Spezialisten, müssen die Markt-Kommunikatoren vieler Unternehmen den Bedeutungsverlust ihrer Marke stoppen und deren Bindungskräfte wieder stärken. Eile ist geboten! Denn immer mehr Konsumenten nutzen Smartspeaker wie Alexa und Siri für Online-Bestellungen und lassen sich von deren Algorithmen mit Produktvorschlägen beraten. Schwache Marken werden nicht empfohlen!
DESINFORMATIONS-ATTACKEN
DESINFORMATIONS-ATTACKEN AUF UNTERNEHMEN:
„DAS GEFAHRENPOTENZIAL WIRD UNTERSCHÄTZT“
Interview mit Dr. Christian Endreß, Geschäftsführer ASW Bundesverband – Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft, Berlin

Herr Dr. Endress, Desinformationsattacken im politischen Bereich sind hinlänglich bekannt. Wie steht es um bewusst gestreute Falschmeldungen über Unternehmen?
Dr. Christian Endreß: Auch über sie werden inzwischen tagtäglich bewusst Falschinformationen in Umlauf gebracht: um einem Wettbewerber zu schaden, um sich am Arbeitgeber zu rächen oder um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Desinformation wird gezielt als Werkzeug eingesetzt, um unterschwellig Meinung zu beeinflussen. Die Digitalisierung macht derartige Angriffsszenarien erschwinglich. Und damit für wie auch gegen Unternehmen einsetzbar.

In der Politik gehören Falschmeldungen zum Alltag.
Erhöhen bestimmte Eigenschaften eines Unternehmens das Risiko, Opfer einer Attacke zu werden?
Dr. Christian Endreß: Nein, es kann grundsätzlich jedes Unternehmen treffen. Daher lautet unsere erste Empfehlung: Seien Sie sich der Bedrohung durch Desinformation bewusst!
Mit welchen Zielen attackieren die Angreifer?
Dr. Christian Endreß: Koordinierte Desinformationsangriffe beeinflussen die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung von Stakeholdern eines Unternehmens, darunter Analysten, Aktionäre, Geschäftspartner, Kunden, Mitarbeiter und potenzielle Mitarbeiter. Die Hauptziele sind das Beschädigen der Reputation eines Unternehmens als Arbeitgeber, seiner Kreditwürdigkeit, des Images seiner Produkte und Dienstleistungen sowie seiner führenden Mitarbeiter.
Von welchen Gruppen geht die stärkste Bedrohung aus?
Dr. Christian Endreß: Eine Tendenz können wir nicht erkennen. Doch fiel uns ist auf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Risikobewertung oft unterschätzt werden. Dabei können sie eine enorme Schwachstelle für ein Unternehmen darstellen. Die Motivationen hinter ihrem Verhalten sind sehr facettenreich. Manche haben Schulden, andere werden erpresst, manche wollen sich rächen.

Die Ziele von Desinformationsattacken gegen Unternehmen. Bildquelle: ASW
In der Politik gehören Falschmeldungen zum Alltag. Wie sollte ein Unternehmen sich bei Angriffen verhalten?
Dr. Christian Endreß: Die Grundlage für das Eindämmen einer Attacke ist eine strukturierte Fallbeschreibung mit einer präzisen Bewertung. Wesentlich ist die Identifikation des Ursprungs einer Desinformation. Im nächsten Schritt müssen rechtliche Schritte geprüft werden. Für die Wirksamkeit einer Reaktion ist Tempo ein wichtiger Faktor. Dabei sollte die Kommunikation genau in dem Kommunikations-Kanal ansetzen, in dem der Angriff stattgefunden hat. Das setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in den relevanten Echokammern präsent sind. Fallbezogen kann es das Eindämmen einer Attacke deutlich unterstützen, wenn das Unternehmen bekannte Medien darin integriert, um Reichweite zu erzielen. Daher sollten Aufbau und Pflege guter Beziehungen zu diesen Medien eine Präventivmaßnahme sein.
Wie kann ein Unternehmen sich vor Attacken schützen?
Dr. Christian Endreß: Ohne Früherkennung von Desinformationen insbesondere im Internet wird es nicht gelingen, den aufkommenden Bedrohungen zu begegnen. Der ASW empfiehlt, dass die Verantwortlichen sich mit möglichen Szenarien und deren Auswirkungen beschäftigen, die das Unternehmen treffen können. Wir bieten zahlreiche Hilfestellungen, sich auf sämtliche Eventualitäten vorzubereiten.
Wird das Web-Monitoring ein unverzichtbarer Bestandteil der proaktiven Krisen-PR sein?
Dr. Christian Endreß: Monitoring ist wichtig. International agierende Unternehmen sollten eine Früherkennung etablieren, die alle relevanten Länder und Märkte abdeckt. Die Informationen dieser Früherkennung müssen schnell an einer Stelle zusammenlaufen. Dennoch wird es stets Attacken geben, die so nicht zu erwarten waren. Daher ist das ständige Vorbereiten auf die Kommunikation in Krisen absolut notwendig. Entsprechende Maßnahmen müssen regelmäßig geübt werden.

Social Engineering: Kriminelle nehmen bestimmte Mitarbeiter ins Visier. Bildquelle ASW
Die Ziele von Desinformationsattacken gegen Unternehmen. Welche Maßnahmen gehören noch zur Prävention?
Dr. Christian Endreß: Die Unternehmensführung und sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten sich der ständigen Bedrohung durch Desinformation bewusst sein. Dazu gehört insbesondere die Sensibilisierung für das Verhalten in Sozialen Netzwerken und für die Gefahren des Social Engineerings. Das ist eine besonders raffinierte Form des Betrugs, die Menschen dazu verleitet, sensible Informationen aus dem Unternehmen auszuplaudern. Zum Beispiel an eine hübsche, persönlich nicht bekannte Internet-Freundin.
Gehen Mitarbeiter in sozialen Medien zu leichtfertig mit Informationen um?
Dr. Christian Endreß: Ja, ein Beispiel sind dienstliche E-Mailadressen, die für private Zwecke genutzt werden und dadurch Angriffsflächen für Missbrauch bieten. Unternehmen müssen daher eine Fehlerkultur etablieren und pflegen. Wer einen Fehler macht und zum Beispiel den Anhang der E-Mail eines unbekannten Empfängers öffnet, darf keine Angst haben, dies sogleich zu melden. Schnelligkeit ist dann für das Vermeiden größerer Schäden ein entscheidender Faktor.
Herr Dr. Endreß, vielen Dank für das Gespräch.
KI ALS WETTBEWERBSFAKTOR
KI: WEHE DEM, DER DEN ANSCHLUSS VERLIERT
Unwissen über die Möglichkeiten birgt hohe Risiken
Nein, ihre Widersprüche rieb ihnen niemand unter die Nase. Bei einer der zahlreichen Podiumsdiskussionen einige Wochen vor Ausbruch der Corona-Krise erörterten die Chefkommunikatoren renommierter Unternehmen die Auswirkungen von Trends wie Agilität und Digitalisierung. Als der Moderator sie auf den Einsatz von Verfahren der Künstlichen Intelligenz ansprach, gaben sich die Diskutanten zurückhaltend: „KI ist ein Buzzword. Ich sage den Verantwortlichen in kleineren und mittelständischen Unternehmen: Macht euch nicht verrückt. Erledigt erst einmal eure Hausaufgaben im Bereich Social Media. Und dann können wir weitersehen“, empfahl der Leiter Unternehmens-Kommunikation eines Versandhändlers.

Der Einsatz leistungsstarker KI-Anwendungen bringt auch in der PR Vorteile.
Der Senior Director Corporate Communication eines Logistik-Dienstleisters verwies auf die beschränkten Kapazitäten seines Teams: „Ich reiße mich nicht um das Thema KI, weil ich mit derselben Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer mehr Zielgruppen bedienen muss. Ein bis zwei Personen nur für das Thema KI einzusetzen, das ist nicht drin.“
Die Leiterin externe Kommunikation einer Versicherung bekannte, das Thema KI noch auszublenden. „Wir werden aber beizeiten prüfen müssen, in welchen Bereichen wir welche Varianten dieser Technologie einsetzen könnten und worin der Nutzen für uns läge.“
Am Ende der Veranstaltung wollte der Moderator von den Diskutanten wissen, auf welche ihrer Aufgaben sie sich in den kommenden zwei, drei Jahren verstärkt fokussieren müssen. „Die Antworten waren aufschlussreich, weil das Gros der genannten Aufgaben gewissermaßen nach dem Einsatz geeigneter KI-Anwendungen schreit“, urteilt Collin Scholz, Mitglied der Geschäftsleitung der Pilot:Projekt GmbH, Hannover. „Denn die Kommunikatoren wollen die personalisierte Ansprache aktueller und potenzieller Kunden verbessern und das Prinzip individuell zugeschnittener Informationen auf Journalisten und weitere Zielgruppen ausdehnen.“ Und um die beabsichtigten individuellen Dialoge tatsächlich führen zu können, sollen die Kommunikations-Abteilungen künftig viel genauer wissen, welche Themen und welche Trends die Adressaten interessieren und welche Meinungen sie zu bestimmten Sachverhalten haben.
Auch wollen die Unternehmens-Kommunikatoren künftig viel schneller und viel präziser erfahren, wie ihre Informationen von den Empfängern bewertet werden. Collin Scholz: „Diese anspruchsvollen Ziele zu formulieren und zugleich eine distanzierte Einstellung zum Einsatz geeigneter KI-Anwendungen einzunehmen, halte ich für widersprüchlich. Denn mit Standard-Methoden lassen sich diese Vorgaben nicht erfüllen.“
Zumal die Zahl der intelligenten Anwendungen ständig steigt, die es Markt-Kommunikatoren ermöglicht, auch ohne große Budgets und eigene Datenwissenschaftler den Erfolg von Marketing- und PR-Kampagnen zu optimieren. Diese Lösungen verarbeiten große Datenmengen, bewerten unterschiedliche Optionen, prognostizieren deren Auswirkungen auf Kampagnenziele und geben Handlungsempfehlungen der Art Behandle das Thema W für die Zielgruppe X im Kanal Y mit dem Instrument Z.

KI-Anwendungen verbessern die Ergebnisse in etlichen Unternehmensbereichen.
Zudem werden die Angebote immer spezieller. So präsentierte die Gesellschaft für Konsumforschung GfK, Nürnberg, kürzlich eine KI-Lösung für Lebensmitteleinzelhändler. Die Händler können damit Daten, die sie durch Kundenkarten gewinnen, mit Informationen aus dem GfK Consumer Panel ergänzen. Auf diese Weise wird das individuelle Einkaufsverhalten analysiert und auf Verhaltens- und soziodemografische Merkmale geschlossen.
Weitere Beispiele hilfreicher Tools, die in den vergangenen Monaten an den Markt gingen: Die KI-Anwendung eines Berliner Startups gibt Kunden von Bekleidungs-Unternehmen Modetipps über einen Chatbot. Ein Hamburger Unternehmen entwickelte eine KI-basierte Software, die Verlage unterstützt, indem sie Buchmanuskripte nach Relevanz und Potenzial vorsortiert. Ein Anbieter aus Frankfurt/Main stellte eine Trend-Engine vor. Mithilfe von KI analysiert und strukturiert sie Informationen, die Konsumenten auf Suchmaschinen und Online-Marktplätzen eingeben. Aus den Datenströmen leitet sie Trend-Prognosen ab.
Angesichts dieser rasanten Entwicklung auf der Angebotsseite warnen Fachleute wie Dr. Ralf T. Kreutzer, Professor für Marketing an der HWR Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, davor, das Thema Künstliche Intelligenz zu vernachlässigen: „Vielmehr sollten auch kleinere und mittelständische Unternehmen eine KI-Taskforce installieren, um für das eigene Unternehmen zu ermitteln, welche Möglichkeiten und Systeme es für den Einsatz von KI gibt, welche Chancen und Risiken damit einhergehen sowie welcher finanzieller und zeitlicher Aufwand damit verbunden ist.“ Werden interessante Einsatzfelder erkannt, sollte eine systematische Vorbereitung auf den KI-Einsatz erfolgen. Hierzu gehört nach Meinung von Ralf T. Kreuzer, möglichst schnell eigene KI-Fingerübungen zu starten, um Erfahrungen zu sammeln.

KI-Anwendungen erkennen Kleidungsstücke und geben dazu Informationen aus.
Für ihn steht fest: „Wenn wir die Chancen der KI in Deutschland nicht frühzeitig erkennen und beherzt nutzen, wird es sehr kritisch. Der Weltmarkt würde sich freuen, wenn wir bei dieser Basis-Innovation patzen. Denn die damit einhergehenden Effekte auf den Arbeitsmarkt und auf die wirtschaftliche Stärke Deutschlands würden dann deutlich stärker ausfallen als die jetzt mit dem KI-Einsatz verbunden Auswirkungen.“
MESSENGER FÜR MEDIENARBEIT
WENIG ERFOLGREICH: MESSENGER FÜR MEDIENARBEIT
Viele Journalisten lehnen das Angebot ab
Nein, die ideale Allzweckwaffe für externe Kommunikation scheinen Messenger- Dienste von WhatsApp, facebook, Telegram und Co. nicht zu sein. Diesen Schluss legt das Ergebnis einer Umfrage der Pilot:Projekt GmbH, Hannover, unter Wirtschaftsjournalisten nahe. Es steht im Kontrast zu der Behauptung, Messenger seien ein wirkungsvolles Instrument der Medienarbeit.

Messenger für die Medienarbeit? Etliche Redakteure halten das für unzweckmäßig.
„Wir wollten wissen, wie Mitglieder der Zielgruppe darüber denken und befragten in denn vergangenen Wochen 28 Redakteurinnen und Redakteure von Tageszeitungen, Wirtschaftsmagazinen und Fachzeitschriften“, erläutert Collin Scholz, Mitglied der Geschäftsführung der Hannoveraner Kommunikations-Agentur.
„Ich habe keine Erfahrungen mit solchen Diensten!“ Der Hinweis von Alfons Frese, Wirtschaftsredakteur bei Der Tagespspiegel in Berlin, steht für die erste Erkenntnis der Umfrage: Bislang erhielt keiner der befragten Journalisten Angebote von Unternehmens-Kommunikatoren, ihnen Informationen über Messenger-Dienste übermitteln.
Das zweite Ergebnis: 57,2 Prozent der Medienvertreter gaben an, entsprechende Angebote nicht nutzen zu wollen. „Wir halten uns bei der Unternehmens-Kommunikation sowieso sehr zurück, und diese auf einem Messenger wie WhatsApp anzuheizen, liegt uns sehr fern“, erläutert Gabriele Fischer, Chefredakteurin des Wirtschaftsmagazins brand eins, Hamburg.
Mit Unternehmenssprechern künftig per Messenger zu kommunizieren, kann Klaus Pohlmann sich nicht vorstellen. Der Chefredakteur von Niedersächsische Wirtschaft – das regionale Wirtschaftsmagazin der Industrie- und Handelskammer Hannover nennt mehrere Hürden: „Einen weiteren Kommunikationskanal beobachten zu müssen, kann je nach individuellen Vorlieben dazu führen, dass andere unter den Tisch fallen.“ Nutze ein Journalist die Messenger-Angebote mehrerer Unternehmen, könne die Vielzahl von Informationen über diesen Kanal schnell unübersichtlich werden. „Hinzu kommt das schwierige Verhältnis zwischen dem Messenger-Einsatz und dem Datenschutz im nicht privaten Bereich.“ Nicht zuletzt erkennt Klaus Pohlmann keinen Komfortgewinn für den Journalisten: „Ich müsste stets überlegen, wie ich ein Statement, ein Textpassage oder ein Bild aus einem Messenger in das Redaktionssystem bringe.“
Doch immerhin 42,8 Prozent der Befragten wären unter bestimmten Bedingungen bereit, Messenger-Angebote als Instrument der Medienarbeit zu prüfen. „Allerdings nur, wenn es unkompliziert wäre, sich dort anzumelden und wenn mir das Angebot im Arbeitsalltag einen Mehrwert zur E-Mail bietet“, nennt Jessica Baker, Chefin vom Dienst bei der Deutsche Handwerks Zeitung in Bad Wörishofen, ihre Anforderungen. „Außerdem müsste ich dafür ein Diensthandy besitzen, weil ich mein privates Smartphone nicht für die Arbeit verwende.“

Chatbots leisten im Marketing gute Dienste. Für die Medienarbeit sind sie ungeeignet.
Rocco Swantusch, Redakteur bei der Münchner Fachzeitschrift Autoflotte, berichtet, dass die Kommunikation mit Unternehmen in erster Linie per E-Mail stattfindet. „Pressemitteilungen oder Hinweise darauf per Messenger zu erhalten, wäre für mich weniger interessant. Interessant könnte ein auf Journalisten zugeschnittener Newsletter sein.“ Nur wenn die Qualität des Inhalts stimmt, würde Heinrich Klotz, Chef vom Dienst / Managing Editor der DVZ - Deutsche Verkehrs-Zeitung, Hamburg, Messenger-Angebote im Rahmen der Medienarbeit akzeptieren. „Grundsätzlich begrüße ich alles, was mich direkter, kompakter und schneller erreicht als auf dem E-Mail-Weg. Vorausgesetzt, es sind relevante, aktuelle Informationen, gerne auch exklusiv – und wenn es nur zwei Stunden Vorsprung sind.“
Den Reaktionen aus der Zielgruppe zufolge scheint es nicht übertrieben, den Einsatz von Messenger-Diensten für die Medienarbeit als wenig erfolgreich zu bezeichnen. „Dabei scheinen die Anforderungen des Datenschutzes das geringste Problem zu sein, denn Messenger-Dienste wie Threema, Wire und Chiffry gelten als datenschutzkonform“, erläutert Collin Scholz. „Die entscheidende Frage ist: Erleichtern Messenger-Angebote für Journalisten tatsächlich deren Arbeit? Weil sie schneller, komfortabler und persönlicher als E-Mails und Telefonate sind? Diese Vorzüge sehen etliche Journalisten nicht.“
DATEN-PR
DATEN: STOFF FÜR EINZIGARTIGE PR-STORYS
Doch Datenschätze zu heben fällt vielen Firmen schwer
Bekannter und erfolgreicher sein - etliche Unternehmen und Verbände könnten es. Wenn es ihnen gelänge, die zahlreichen Daten, die bei ihnen täglich anfallen, unter strategischen Aspekten zu sortieren und zu analysieren. Denn die daraus resultierenden Ergebnisse enthalten oft vielfältige Hinweise, in welchen Bereichen eine Organisation Prozesse und Angebote optimieren sowie sich besser positionieren kann. Darüber hinaus resultieren aus Datenanalysen nicht selten Ideen für attraktive PR-Instrumente.

Daten sind der Rohstoff für attraktives Storytelling - auch in der PR.
Das belegen Beispiele wie Deutschlands großer Karambolage-Atlas des Versicherungskonzerns Generali Deutschland AG, Deutschlands großer Streitatlas des zum Generali Konzern gehörenden Rechtsschutzversicherers Advocard oder das PaketRadar des Logistikdienstleisters Hermes Germany GmbH.
Die sogenannte Datenbasierte PR (oder kurz Daten-PR) hat mehrere Vorteile. Professionell durchgeführt, liefert sie den Zielgruppen faktenbasierte Informationen mit einem hohen Nachrichtenwert. Zugleich tragen Daten dazu bei, die PR-Botschaften des Absenders wirkungsvoller zu vermitteln. Insbesondere dann, wenn es gelingt, eigene Daten gekonnt mit seriösen Fremddaten zu verknüpfen. Davon stehen auf sogenannten Offenen Datenportalen mittlerweile große Mengen zur Verfügung. Viele davon sind kostenlos und leicht zugänglich (siehe die nachfolgende Übersicht). So nutzt der Energieversorger E.ON Energie Deutschland GmbH regelmäßig Daten des Deutschen Wetterdienstes, um in Pressemitteilungen zu erläutern, wie Wetterphänomene die Produktion regenerativer Energien beeinflussen.
OFFENE DATENPORTALE (Auswahl)
- Statistisches Bundesamt https://www.destatis.de/DE/Home/_inhalt.html
- GOVDATA: Das Datenportal für Deutschland https://www.govdata.de/
- Kraftfahrt-Bundesamt https://www.kba.de/DE/Statistik/statistik_node.html
- Open-Data-Portal München https://www.opengov-muenchen.de/
- Open-Data-Portal NRW https://open.nrw/
- Open-Data-Portal Berlin https://daten.berlin.de/
- Open-Data-Portal Rheinland-Pfalz https://daten.rlp.de/
- Wolfsburg Digital https://wolfsburgdigital.org/projekte/offene-datenplattform/
- Die Plattform für Open Data im Tourismus https://open.destination.one/
- Offenes Wissen für die digitale Zivilgesellschaft https://okfn.de/
- Open Data Projekte aus Deutschland, Europa und der Welt http://opendata-showroom.org/de/
- Open Data Portale Deutschland https://www.offenesdatenportal.de/dataset/ubersicht-der-open-data-angebote-in-deutschland/resource/2a8fafd0-b87f-4342-82b6-6e56569d673d
- Open-Data-Portal Sachsen https://www.opendata.sachsen.de/
- Open Food-Facts Deutschland https://de.openfoodfacts.org/
- ESRI DEUTSCHLAND OPEN DATA PORTAL https://opendata-esri-de.opendata.arcgis.com/
- Open Data Portal Deutsche Bahn https://data.deutschebahn.com/
- Portal für offene Verwaltungsdaten https://www.offenesdatenportal.de/
- E-Learning-Programm Open Data des Europäischen Datenportals https://www.europeandataportal.eu/elearning/de
- Offenes Datenportal der EU https://data.europa.eu/euodp/de/home
- Europäisches Datenportal https://www.europeandataportal.eu/de/homepage
Die Beispiele lassen allerdings vermuten, dass vorrangig große Unternehmen für die Daten-PR prädestiniert sind. Dem widerspricht Professor Dr. Thomas Pleil vom Fachbereich Media der Hochschule Darmstadt. „Daten-PR funktioniert in nahezu jeder Art von Unternehmen. Auch kleine, spezialisierte Firmen kennen ihre Kunden und verfügen über Daten und Erkenntnisse für interessante Beiträge.“
Bereits mit allgemeinen Geschäftsdaten wie den Verkaufszahlen lässt sich etwas anfangen: Welche Produkte oder Services werden zu welcher Zeit von welchen Kundengruppen aus welchen Regionen in welchen Mengen nachgefragt? Und welche Trends lassen sich aus diesen Zahlen ableiten? „Über entsprechende Daten verfügt jeder Pizzabringdienst und könnte sie für seine lokale Medienarbeit nutzen“, betont Collin Scholz, Mitglied der Geschäftsleitung der Pilot:Projekt GmbH, Hannover. „Andere Unternehmen nutzen mit Sensoren ausgestattete Geräte wie GPS-Sender, Drohnen, Kameras, Thermometer oder Reifen. Sie liefern permanent Daten für exklusive PR-Beiträge.“
Einschränkend ist zu berücksichtigen: Daten-PR lässt sich nicht zwischen Tür und Angel erledigen. Daher sind Unternehmen und Verbände im Vorteil, in denen sich mehrere Personen dem Thema widmen. Im Idealfall kooperieren dabei Datenexpertinnen und –experten der Bereiche Geschäftsanalytik, Controlling und Marktforschung mit den Unternehmenskommunikatoren. In kleineren Unternehmen und Verbänden können die Verantwortlichen in Erwägung ziehen, sich von externen Dienstleistern unterstützen zu lassen.

In jedem Unternehmen schlummert eine Fülle interessanter Daten.
Denn Datensätze wirken auf jene, die sich erstmals mit dem Thema Daten-PR befassen, zumeist sperrig, unübersichtlich und nicht zuletzt demotivierend. Doch Übung und der Einsatz hilfreicher Tools wie den Farbskalen-, Sortier-, Filter- und Diagramm-Funktionen von Microsoft Excel nehmen ihnen bald den Schrecken.
Bei der Themenfindung kann man Datensätze entweder ergebnisoffen nach PR-tauglichen Geschichte abklopfen. Oder man formuliert zunächst Thesen und sucht nach Daten, die dazu geeignet sind, die Behauptungen zu unterfüttern oder zu widerlegen.
Einen Fehler gilt es bei der Daten-PR unbedingt zu vermeiden: Die Beiträge mit Zahlen zu überladen. Das schreckt fast jeden Leser ab. „Erheblich sinnvoller ist es, die Kernaussagen einer Datengeschichte in einer aufmerksamkeitsstarken Infografik zu bündeln“, hebt Collin Scholz hervor. Bei komplexen Themen böte es sich an, die Grafik interaktiv zu gestalten, um den Nutzern Zusatz-informationen zu vermitteln.
Das Fazit von Professor Thomas Pleil: „Der Einsatz von Daten in der PR ist kein Selbstzweck. Doch professionell eingesetzt, hilft er dabei, die Kernaufgaben der Kommunikation von Unternehmen und Verbänden zu erfüllen: Die Stakeholder – von Mitarbeitern über Kunden bis zu Aktionären – positiv zu stimmen sowie Bekanntheit und Reputation der Organisationen auszubauen und zu sichern.“
INFOGRAFIK
MARKETER ÜBERSCHÄTZEN ONLINE-WERBUNG
Konsumenten halten traditionelle Kanäle für glaubwürdiger
Verteilen Marketing-Manager ihre Budgets suboptimal? Diesen Verdacht legt der Vergleich der Ergebnisse zweier Umfragen nahe. Dabei sollten zum einen Marketer, zum anderen Konsumenten die Glaubwürdigkeit von Werbekanälen bewerten. Die Unterschiede sind beachtlich.

Marketer und Konsumenten sehen die Werberelevanz von Kanälen unterschiedlich.
Die größten Unterschiede treten beim Bewerten der digitalen Werbekanäle zutage. Die Konsumenten stufen die Glaubwürdigkeit des Internets, der Social Media sowie des Smartphones weitaus geringer ein, als es die Marketing-Verantwortlichen in den Unternehmen tun. Zweifellos gilt: Je glaubwürdiger ein Werbekanal erscheint, desto werbewirksamer ist er auch. Daher scheinen die Marketer gut beraten, ihre Budgets gleichmäßig zu verteilen und den Print-Bereich ausreichend zu berücksichtigen.
Die Befragung der Konsumenten führte die Statista GmbH, Hamburg, im Juni und Juli 2019 durch. An der repräsentativen Online-Befragung nahmen 1.000 Personen zwischen 16 und 64 Jahren teil.
Die Pilot:Projekt GmbH, Hannover, befragte im Oktober und November 2019 telefonisch 46 Marketing-Verantwortliche aus Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen.
In beiden Fällen sollten die Befragten die Glaubwürdigkeit der acht genannten Werkekanäle mit einer Note bewerten. Das Spektrum reichte von 1 = sehr glaubwürdig bis 5 = überhaupt nicht glaubwürdig.
GeHÖRT! GeSEHEN! GeLESEN!
Das Sachbuch „Kompass der Wirtschaftskommunikation“
Welche Wirtschaftsthemen interessieren die Bundesbürgerinnen und -bürger wirklich? Welche Vorstellungen haben sie von einer guten Wirtschaftskommunikation? Und wie bewerten sie die Angebote von Unternehmens-Kommunikatoren, Politikern und Journalisten? Fundierte Antworten auf diese spannenden Fragen enthält das Buch „Kompass der Wirtschaftskommunikation“.
Darin präsentieren Prof. Dr. Claudia Mast, Dr. Klaus Spachmann und Dipl. rer. Com. Katherina Georg die Ergebnisse ihrer Langzeitstudie. Zwischen 2011 und 2015 hatten die drei Akademiker vom Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim 16 repräsentative Umfragen in der Bevölkerung konzipiert und geleitet. Die aus der Analyse der Antworten resultierenden Ergebnisse bilden den Kern des Buches. In den ersten fünf Kapiteln leuchten die Autoren sorgfältig die Meinung und den Blickwinkel des Publikums aus, an das die Wirtschaftskommunikation sich wendet.
Daraus lassen sich folgende Grundaussagen destillieren: Die befragten Bundesbürgerinnen und Bundesbürger haben eine klare Vorstellung davon, wie gute Wirtschaftskommunikation gestaltet sein sollte: Sie muss die für ihre Zielgruppe wichtigen Themen aus der richtigen Perspektive behandeln.
Dabei soll sie faktenorientiert, nützlich, wahrheitsgetreu und verständlich sein. Diesen Anforderungen zu genügen gelingt der Studie zufolge nur den Journalisten, wenn auch mit Abstrichen. Unternehmens-Kommunikatoren und Politiker hingegen seien weit davon entfernt.
Im sechsten Kapitel verlassen die Autoren die Perspektive der Leserschaft, indem sie zehn angesehene PR-Fachleute und Journalisten zu Wort kommen lassen. Diese stellen in praxisorientierten Kurzanalysen dar, worin sie aktuelle Schwierigkeiten der Wirtschaftskommunikation sehen und welche Möglichkeiten eines kommunikativen Strategie-Wechsels es gibt.
Im siebten und letzten Kapitel plädieren Claudia Mast, Klaus Spachmann und Katherina Georg für eine Neuausrichtung der Wirtschaftskommunikation. Dazu stellen sie folgende sechs Thesen auf:
- „Auf den Wirtschaftsjournalismus kommt es an. Die publizistische Leistung des Journalismus ist für die öffentliche Kommunikation über Wirtschaft unverzichtbar.
- Veränderte Erwartungen der Menschen führen dazu, dass der Wirtschaftsjournalismus sich neu ausrichten muss.
- Der Journalismus muss sich den Menschen und deren Lebenswelten zuwenden. Wirtschaft und Gesellschaft bestehen aus Bürgern, nicht nur aus offiziellen Entscheidungsträgern.
- Die Medienarbeit als Ansprache journalistischer Redaktionen bleibt in der Wirtschaftskommunikation ein kraftvolles und unverzichtbares Instrument.
- Die Kommunikation von Unternehmen und Organisationen wird stark von außen bestimmt. Nicht mehr nur der Journalismus setzt Themen und formiert Erwartungen, sondern immer mehr auch die Bürger selbst.
- Die Wirtschaftskommunikation steht daher vor einem Perspektivwechsel. Die Betroffenheit und das Interesse der Stakeholder gehören an den Ausgangspunkt der strategischen Überlegungen.“
Fazit
Die drei Hauptautoren sowie ihre zehn Gastautoren überzeugen nicht nur durch inhaltliche Qualität, sondern auch durch die sehr gute Lesbarkeit ihrer Texte. Die Lektüre dieses Buches sei allen Unternehmens-Kommunikatoren ans Herz gelegt. Denn sie ermutigt dazu, etliche Routinen des PR-Alltags zu hinterfragen und liefert darüber hinaus Anregungen, wie sie ihre Wirtschaftskommunikation zielgruppengerechter und damit auch erfolgreicher machen können.
Claudia Mast / Klaus Spachmann / Katherina Georg
Kompass der Wirtschaftskommunikation
Herbert von Halem Verlag; 1. Auflage 2017
336 Seiten, 69 Abbildungen
ISBN 978-3-7445-1120-9
39,00 EUR
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